Gut Leben mit Rheuma

Ich bin heute 42 Jahre alt und habe vor 4 Jahren die Diagnose Rheuma bekommen.

Alles fing damit an, dass ein Gelenk meines kleinen Fingers in der linken Hand geschwollen war und gebrannt hat wie Feuer. Auch war ein Gelenk an meinem großen Zeh des linken Fußes geschwollen.
Ich hatte solche Schmerzen.

Wir haben eine Parzelle ca. 1 km von unserem Haus entfernt. Ich war kaum in der Lage diesen Weg hin und zurück zu gehen, ohne zu humpeln. Weil die Schmerzen in meinem Fuß nicht besser wurden, suchte ich einen Orthopäden auf. Dieser schaute einmal von weitem auf meinen Fuß, diagnostizierte Arthrose und verschrieb mir Einlagen. Trotz dieser Einlagen wurden die Schmerzen beim Gehen nicht besser. Mit meinem Finger war ich bei meiner Hausärztin in Behandlung, die den Finger mehrmals ruhigstellte, was aber auch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Da ich zur gleichen Zeit eine Behandlung beim Kieferchirurgen hatte und aufgrund von Schmerzen im Kiefer Arcoxia verschrieben bekam, fiel mir auf, dass meine Schmerzen im Finger durch die Einnahme von Arcoxia besser wurden und dass die Schwellung zurück ging. Mir ließ das mit dem Finger keine Ruhe, so dass ich mich selbst im Internet nach einer möglichen Diagnose auf die Suche machte.

 

Seit meiner Pubertät hatte ich Schuppenflechte am Kopf und manchmal auch am Ellenbogen.

Ich stieß bei meinen Recherchen auf die Krankheit Psoriasis Arthritis, dessen Symptome laut Beschreibung im Internet sich fast vollständig mit meinen deckten. Ich druckte alles aus und ging damit wieder zu meiner Hausärztin, die dann meinte, so etwas hätte sie sich ja auch schon gedacht (ach ja?).

Wie auch immer, dank ihr bekam ich ziemlich schnell einen Termin bei einem sehr guten und einfühlsamen Rheumatologen, bei dem ich auch heute noch in Behandlung bin. Dass sie sich so unbürokratisch für einen schnellen Termin für mich eingesetzt hat, finde ich bis heute sehr gut, denn normalerweise muss man auf einen Rheumatologen Termin bis zu einem halben Jahr warten. Zur mir selbst kann ich noch sagen, dass ich damals 125 kg bei einer Größe von 174 cm gewogen habe, Raucherin war und mich so gut wie nicht bewegt habe. Außerdem litt ich immer wieder stark unter depressiven Phasen und machte Gott und die Welt für mein Schicksal verantwortlich. Mir ging es richtig schlecht und ich hatte immer wieder auch das Gefühl, dass sich nie etwas ändern würde.

 

Die Behandlung beim Rheumatologen begann damit, dass ich zunächst MTX  in Kombination mit Arcoxia verschrieben bekam.

Ich verspürte keine wesentliche Besserung und da man die Medikamente erst einige Monate nehmen muss, um zu entscheiden, ob sie tatsächlich nicht wirken, musste ich verschiedene Medikamente immer über Monate einnehmen. Nichts half irgendwie richtig gut und es gab viele Momente, an denen ich weinend auf dem Sofa lag und nicht mehr weiter machen wollte.

 

Meine Familie litt mit mir, war aber in all der Zeit eine gute Unterstützung.

Anfang 2013 machte ich eine ambulante Reha über 2 Wochen, bei der ich wieder Freude an der Bewegung im Wasser bekam und ich nahm mir ganz fest vor wieder schwimmen zu gehen. Nach der Reha fuhr ich auf eine Fortbildung nach Erlangen und auf dem Weg zurück im Zug las ich ein sehr gutes Buch ‚Die Entscheidung liegt bei dir!: Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit, welches mir stark die Augen öffnete und mir zeigte, dass mein ganzes Jammern nichts nützt. Ich musste endlich mein Leben selbst in die Hand nehmen, versuchen etwas zu ändern und aktiv meine Probleme anzugehen. Es stellte sich mir die Frage, ob ich wirklich mit Anfang 40 schon am Rollator gehen möchte oder nicht. Wieder zu Hause, begann ich mit dem Schwimmen. Ich ging vor der Arbeit in ein Schwimmbad in der Nähe, begann mit zunächst 1000 Meter und steigerte mich in kürzester Zeit auf knapp 10 km die Woche. Durch Recherche im Internet fand ich heraus, dass in tierischen Produkten Stoffe enthalten sind, die Entzündungen im Körper fördern und dass das Beste bei Rheuma, sowie auch anderen Autoimmunerkrankungen eine vegane Ernährung ist. Zunächst einmal stieg ich auf eine vegetarische Ernährung um und gleichzeitig fing ich an meine Ernährung mit einer Handy App zu kontrollieren. Ich protokollierte alles was ich aß und jeglichen Sport. Es dauerte nicht lange und ich entschied mich konsequent auf eine vegane Ernährung umzusteigen. Ziemlich schnell merkte ich, wie sich der Sport, das leichtere Körpergewicht und meine Ernährung sich positiv auf meine psychischen und physischen Zustand auswirkte.

Last but not least, blieben noch die Zigaretten. Mein Rheumatologe verfolgte meine Entwicklung mit Freude, ermahnte mich aber, dass ich bitte doch versuchen sollte mit dem Rauchen aufzuhören. Ich hatte mit knapp 13 Jahren angefangen zu Rauchen, während meiner Schwangerschaften aufgehört und danach immer ziemlich schnell wieder angefangen. Mit dem Rauchen aufzuhören sah ich damals immer als ziemlich unmöglich an.

 

Ich fing mit dem Kraulschwimmen an und konnte kaum 50 Meter am Stück kraulen, ohne dass mir die Luft ausging.

Da ich aber unbedingt besser werden wollte, überlegte ich mir, es doch zu versuchen und mit dem Rauchen aufzuhören. Ich setzte mir den 1. Oktober als Ziel fest. Am 1. Oktober wollte ich aufhören zu rauchen. Das Datum erschien mir als sinnvoll, weil dann die meisten Sommerparties schon vorbei waren und ich es mir nicht unnötig schwer machen wollte. Das lustige war, dass ich Ende September mich schon so auf das Aufhören freute, dass ich schon am 30. September 2013 mit dem Rauchen aufhörte. Einen Monat lang habe ich als Hilfe Nikotinkaugummies gekaut, die ich nach diesem Monat aber nicht mehr brauchte. Ich habe seitdem keine Zigarette mehr angefasst. 3 Wochen später konnte ich 50 Meter am Stück kraulen, ohne außer Atem zu sein. Heute kann ich 20 Meter am Stück tauchen, was ich vorher noch nie konnte, noch nicht einmal, als ich Kind war.

Währenddessen lief meine Behandlung beim Rheumatologen natürlich weiter. Meine Symptome hatten sich signifikant gebessert, waren aber nicht ganz verschwunden, je nach Wetter Lage und je nach persönlichem Stressfaktor, waren sie mehr oder minder schlimm.

 

Mitte 2014 hatte ich nun fast 50 kg abgenommen und ich fing mit dem Laufen an.

REH vor und nach zwei Jahren Training

REH vor und nach zwei Jahren Training

Erst kleine Strecken, dann immer mehr. Im August 2014 konnte ich schon 5 km am Stück laufen. Da ich aber immer noch partiell Schwellungen an mehreren Gelenken hatte und meine Lebensumstellung die Symptome zwar verbessert hatten, aber sie nicht hundertprozentig verschwinden ließen, bekam ich von meinem Rheumatologen ein Medikament verschrieben, was endlich half. Enbrel, ein TNF Alpha Blocker und sehr sehr teuer. Enbrel muss ich mir einmal die Woche in den Oberschenkel spritzen. Die Symptome wurden von Tag zu Tag weniger und nach ca. einem viertel Jahr hatte ich keine Entzündungswerte mehr im Blut, keine Schwellungen an den Gelenken mehr und keine  Schuppenflechte.

 

Mittlerweile laufe ich Wettkämpfe und möchte nächstes Jahr mindestens einen Halbmarathon laufen.

Es gibt ab und zu immer noch Tage, an denen ich sehr erschöpft bin, meine Gelenke spüre und merke, dass ich halt doch nicht gesund bin. Dennoch habe ich immer das Gefühl selbst aktiv etwas ändern zu können, sei es dadurch, dass ich mir einfach etwas Ruhe gönne, mir
etwas Gutes tue, wie ein warmes Bad oder spazieren gehe.

Meine allerwichtigste Erkenntnis, war und ist, dass ich allein in meinem Leben die Hauptrolle spiele (Fanta 4). Ich allein kann etwas ändern, was kein Arzt, keine Familie und keine Freunde können. Ich allein bin dazu in der Lage über Top oder Flop zu entscheiden und egal, welche Krankheit ich habe, ich allein habe die Macht die Möglichkeiten, die ich habe zu nutzen oder nicht.

 

Seit meiner Entscheidung Anfang 2013 sind knapp 2 Jahre vergangen….

und für mich war das wie eine neue Geburt, da ich seitdem viel bewusster lebe und jeden Tag an dem es mir gut geht viel mehr wertschätze.

Im Nachhinein, hat die Krankheit für mich sehr viel Positives. Sie war der Schuss vor den Bug, den ich gebraucht hatte, um zu erkennen, dass ich mein Leben gerade verschwende und meine Gesundheit kaputt mache und mich in meinem Elend suhle anstatt aktiv etwas zu ändern. Von meinem Rheuma werde ich wohl nie vollständig geheilt werde können, aber mein Selbstmitleid bin ich los und dafür bin ich sehr dankbar.

 

 

und-was-ist-Ihre-Geschichte?

Bildquellen

  • Rheuma vorher/nachher: Bildrechte beim Autor
  • und-was-ist-Ihre-Geschichte?: Bildrechte beim Autor

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1 Kommentar

  • Hallo REH!
    Wenn das nicht motivierend ist, dann weiß ich auch nicht.
    Dieser Bericht und deine aktive Einstellung, was dein Schicksal betrifft, ist berauschend☺.
    Ich danke dir von Herzen für diese Zeilen.